Guido von Arezzo verankerte 900 Jahre vor Iwan Pawlow Lerninhalte unbewusst, indem er unterschiedliche Sinnesreize zeitgleich immer wieder darbot. In der Lernpsychologie nennt man diese Art des Lernens "Konditionierung".
Ob visuelle Zeichen, Zahlen oder sangliche Silben, seit jeher geht es darum, die ungreifbare, unsichtbare Musik sichtbar und bewusst zu machen. Vor 1000 Jahren erschuf der Benediktinermönch Guido von Arezzo das Terzliniensystem und den absoluten Notenschlüssel, um den tonalen Verlauf jeder Stimmen genau anzugeben.
Damals wie heute tun sich Schüler schwer damit, Noten zu lernen. Woran das liegt? Das Notenbild sagt nichts darüber aus, ob eine Sekunde "groß" oder "klein" ist. Dieses Wissen muss man bereits mitbringen. Um seinen Schülern den Einstig ins Notenlesen zu erleichtern, erweiterte Guido sein System um sangliche Tonsilben. Absolute Notation und relative Solmisation sind nicht zwei Methoden, sondern bilden zusammen ein ganzheitliches Lehrsystem.
Anders als Noten, die eine visuelle Hilfe darstellen, muss man Tonsilben artikulieren. Damit kommt die Sprache als Eselsbrücke hinzu. Guido wird auch die haptische Methode des Musikerfassens zugeschrieben: die Guidonische Hand. So hat Guido das erkennende Auge, die benennende Sprache und die begreifende Hand vereint, um alle Aufmerksamkeit auf die musikalische Erfahrung zu richten. Guido konnte die Lehrgeschwindigkeit auf diese Weise verzehnfachen!